Auch wenn ein Zusammenhang zwischen Hydrocephalus und Depression bisher nicht beschrieben wurde und kein organisch begründeter Zusammenhang zwischen beidem besteht, leiden viele Menschen mit Hydrocephalus unter dieser psychischen Beeinträchtigung.

Das britische Spina bifida und Hydrocephalus Netzwerk „Shine“ nennt Gründe für Ängste und Depression: häufige Schmerzen, lange Krankenhausaufenthalte, eingeschränkte Möglichkeiten sich zu bewegen, mobil zu sein, das Gefühl, nicht selbst über sein Leben bestimmen zu können, wenig Anerkennung in der Gesellschaft zu erfahren und nur wenige soziale Kontakte zu haben. https://www.shinecharity.org.uk/mental-wellbeing/depression-and-anxiety

Wenn man sich zudem vor Augen führt, welche Belastung es bedeuten kann, mit einem Hydrocephalus zu leben, erscheint es sehr verständlich, dass die Psyche hier nicht unbeeinflusst bleibt:

Das Bewusstsein, dass die Gesundheit von der Funktion des Ventils abhängt; dass im Prinzip jede Minute etwas passieren kann; die Unsicherheit vor jeder Routineuntersuchung, ob denn wirklich alles in Ordnung ist; dass sich die gesundheitliche Situation stark verschlechtern könnte; Angst vor dem Verlust geistiger Fähigkeiten.

Das alles sind Ängste, die schon Kinder und Jugendliche mit Hydrocephalus beschäftigen. Hinzu kommt eine Traumatisierung durch häufige medizinische Untersuchungen und Operationen. Da gilt, auch wenn etwas „nur Routine“ ist, kann es dennoch für den Betreffenden beängstigend sein.

Depression bei Hydrocephalus ist also nicht organisch mit der Erkrankung verknüpft, sondern viel mehr eine Begleiterscheinung der andauernden Belastung, die diese mit sich bringt.

Umso wichtiger ist es daher, neben den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen beim Augenarzt und Neurochirurgen auch auf seine seelische Gesundheit zu achten.

Von der amerikanischen Hydrocephalus Association gab es 2020 zu diesem Thema einen sehr interessante Online Konferenz, die man sich auf ihrer Homepage ansehen kann:

Neben Dr. T. Andrew Zabel, pädiatrischer Neuropsychologe, Doktor der Psychologie und spezialisiert auf die Erkennung und Behandlung neuronal begründeter kindlicher Lernschwierigkeiten, referierte Tessa van der Willingen. Sie ist Mutter eines inzwischen erwachsenen Kindes mit Hydrocephalus und Psychologin im, wie sagt, zweiten Bildungsweg.

Ihr Fachgebiet ist die positive Psychologie: die Wissenschaft davon, wie das Leben gelingen kann, indem man sich auf seine Ressourcen besinnt.

Van der Willingen nennt Selbstfürsorge als einen guten Weg, auch für die eigene seelische Gesundheit zu sorgen: gut und gesund essen, ausreichend schlafen, sich genug bewegen, auch einmal Pause machen und Mitgefühl mit sich selbst haben.

Die Begriffe Achtsamkeit und Resilienz (englisch „mindfulness“ und „science of wellbeing“) sind hier die Schlüssel zu einem gelingenden Leben trotz Einschränkung – und beides sollte schon im Kindesalter eingeübt – und von uns Eltern vorgelebt werden.

Es gibt Faktoren in unserem Leben, die wir nicht verändern können, und dazu gehören nun einmal die biologischen Voraussetzungen, die jeder Einzelne mitbringt. Beeinflussen kann ich jedoch, wie ich mit diesen Faktoren umgehe.

Wenn ich einem Problem oder einer als unangenehm empfundenen Situation gegenüber stehe, reagiere ich nicht auf das Problem selbst, sondern auf meine Gedanken, meine Überzeugungen une Erwartungen hierzu. Ich erwarte und befürchte, dass etwas schlimmes/unangenehmes passiert, und mein Körper reagiert entsprechend. Dadurch gerate ich in „Denkfallen“ die verhindern, dass ich etwas objektiv bewerte und der Situation bewusst handelnd begegne – statt nur wie im Reflex zu reagieren.

Wenn etwas misslingt kommen fast automatisch Gedanken wie „Ich bin so schlecht“ oder „Das schaffe ich nie!“. Die Folgen sind das Aufgeben und ein daraus resultierendes schlechtes Selbstwertgefühl. Dabei wäre es sinnvoller, nach den tatsächlichen Ursachen zu suchen: hatte ich z.B. einfach einen schlechten Tag, war ich nicht genug vorbereitet, war ich zu nervös etc. So ist man weniger in negativen Gedanken gefangen.

Optimismus kann, so betont Frau von der Willingen, fürchterlich nerven, wenn andere einem ständig sagen es werde schon alles gut werden. Realistischer Optimismus kann jedoch sehr helfen, auch mit Fehlschlägen umzugehen: sich daran zu erinnern, das Positive zu bemerken und die Möglichkeit einer positiven Entwicklung nicht zu aus dem Auge zu verlieren.

Das Bewusstsein der eigenen Stärken ist, so van der Willingen, ein mächtiges Werkzeug, um sein Leben zu meistern. Was Stärken sein können, und dass es da weit mehr gibt als man sich so vorstellt, gilt es schon den Kindern zu vermitteln. Da geht es nicht um Fähigkeiten oder schulische Begabungen. Stärken können Neugier, Freundlichkeit, Kreativität, Ehrlichkeit, Humor, Durchhaltevermögen, Hoffnung, Mut, Dankbarkeit und Teamfähigkeit sein. Sich selbst nicht über seinen Schwächen zu definieren bedeutet einen großen Schritt zur Erlangung einer positiven Einstellung zu sich selbst. Der psychologische Begriff der Selbstwirksamkeit bedeutet, sich seiner eigenen Stärken bewusst zu sein – das richtige „Mindset“ zu haben – überzeugt zu sein, dass man das, was zum Erfolg/zur Lösung des Problems führt, auch schaffen kann.

Der Hydrocephalus kann die geistige Flexibilität beeinträchtigen, es kann schwieriger sein, das eigene Verhalten zu ändern und neues einzuüben, aber um das genau zu beurteilen fehlt es noch an Forschungsdaten. Die Lebensumstände, die eine chronische Erkrankung wie Hydrocephalus mit sich bringen, können jedoch durchaus eine Depression begünstigen. Daher ist es besonders wichtig sich wenn nötig Hilfe zu suchen – je früher desto besser.

Weitere Informationen:

Zur positiven Psychologie: https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb1/prof/PAD/BW2/Berend/Grundlagen_Positive_Psychologie_01.pdf

24 Charakter Stärken:

https://www.dgpp-online.de/post/charakterst%C3%A4rken

Selbstwirksamkeit:

https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/motivation/der-glaube-an-sich-warum-selbstwirksamkeit-wichtig-ist

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